Bibliografische Eckdaten
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Titel: film in italien / italien im film (Wortspiel/Chiasmus auf dem Cover)
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Autorin: Helga Koppel
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Verlag: Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin
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Erscheinungsjahr: 1970 (1. Auflage)
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Herstellungsland: Deutsche Demokratische Republik (DDR)
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Lizenz-Nr.: 414.235/118/70
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Druck: Leipziger Druckhaus
Über das Buch & Konzept
Das Buch ist keine reine Filmgeschichte im akademischen Sinne, sondern versteht sich als eine soziologische Betrachtung Italiens durch die Linse des Kinos. Wie im Vorwort betont wird, geht es nicht primär um ästhetische Analysen, sondern darum, dem Leser „Aspekte italienischen Lebens“ zu vermitteln.
Der Fokus liegt eindeutig auf dem Italienischen Neorealismus und dem politisch engagierten Kino der Nachkriegszeit. Die Autorin wählt Filme aus, die soziale Realitäten, Missstände und den Wandel der italienischen Gesellschaft abbilden. Es wird explizit erwähnt, dass die Auswahl jenen Regisseuren und Autoren gilt, die „wissen, dass zur Veränderung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaft in Italien die Kritik eben dieser Gesellschaft gehört“.
Inhaltliche Struktur & Themen
Das Inhaltsverzeichnis zeigt eine chronologische und thematische Gliederung, die die italienische Geschichte von den 1940ern bis Ende der 1960er Jahre widerspiegelt:
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Faschismus, Krieg und Besetzung: Die Aufarbeitung der Mussolini-Ära und des Zweiten Weltkriegs (z.B. Rom – offene Stadt, Paisa).
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Widerstand und Befreiung: Der Kampf der Partisanen und das Ende des Faschismus.
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Soziale Probleme: Arbeitslosigkeit, Armut und Binnenmigration („Flucht in den Norden“). Hier werden Klassiker wie Fahrraddiebe (De Sica) behandelt.
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Regionale Disparitäten: Ein eigener Abschnitt widmet sich dem strukturschwachen Süden (Sizilien und Sardinien), z.B. Die Erde bebt.
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Arbeiterbewegung: Ein Kapitel über Gewerkschaften (Die Organizzazione).
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Das Wirtschaftswunder (Miracolo economico): Kritische Auseinandersetzung mit dem rasanten Aufschwung, Konsumismus und der damit einhergehenden Entfremdung. Hier werden Filme von Antonioni (Die rote Wüste) und Fellini (Das süße Leben / La Dolce Vita) besprochen.
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Gesellschaftsgruppen: Spezielle Betrachtung der Rolle von Jugend, Frauen und alten Menschen im Film (z.B. Umberto D.).
Enthaltene Regisseure und Filme
Das Buch bietet ein umfangreiches Register (Filmtitelregister) und bespricht Werke der bedeutendsten italienischen Regisseure jener Zeit, darunter:
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Roberto Rossellini
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Vittorio De Sica
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Luchino Visconti
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Pier Paolo Pasolini (Accattone)
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Michelangelo Antonioni
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Federico Fellini
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Pietro Germi (Scheidung auf italienisch)
Visuelle Gestaltung
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Cover: Das Buch hat ein markantes grafisches Design, typisch für die 1970er Jahre. Ein gelb-weißer Kreis auf schwarzem Grund trägt den Titel im Chiasmus. Darunter befindet sich ein Schwarz-Weiß-Foto einer engen italienischen Gasse, was den Fokus auf das „echte“ Leben unterstreicht.
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Bildmaterial: Im Innenteil finden sich diverse Schwarz-Weiß-Fotos (Filmstills), die teils dramatisch arrangiert sind (z.B. die vier vertikalen Porträts auf der ersten Innenseite), um die Emotionen und die Härte der gezeigten Filme zu visualisieren.
Historische Einordnung & Kontext (DDR)
Da das Buch im Henschelverlag in Ost-Berlin (DDR) erschien, ist die Perspektive der Autorin Helga Koppel von einer marxistisch-sozialistischen Sichtweise geprägt.
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Der Henschelverlag war der führende Verlag für Theater- und Filmwissenschaft in der DDR.
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Die Filmauswahl und die Kommentare betonen den Klassenkampf, den Antifaschismus und die Kritik am Kapitalismus („gesellschaftliche Auswüchse“).
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Es wird eine klare Sympathie für das „einfache Volk“ und dessen Probleme geäußert, ganz im Sinne der Ideologie des Neorealismus und der staatlichen Doktrin der DDR.
Zusammenfassung
„Film in Italien / Italien im Film“ ist ein Zeitdokument der 1970er Jahre, das den italienischen Film als Spiegel gesellschaftlicher Zustände analysiert. Es richtet sich an Filmbegeisterte, die sich für den Neorealismus interessieren, sowie an Historiker, die den Blick der DDR auf das westliche Kino untersuchen möchten.


